Kapitel 2. Was ist neu in Debian GNU/Linux 6.0

Inhaltsverzeichnis

2.1. Was ist neu in der Distribution?
2.1.1. Firmware in den non-free-Bereich verschoben
2.1.2. Paketverwaltung
2.1.3. Abhängigkeitsbasiertes Booten
2.1.4. Vereinheitlichte Tastaturkonfiguration
2.1.5. Setzen des Kernel-Modes
2.1.6. LDAP-Unterstützung
2.1.7. Der Bereich für vorgeschlagene Aktualisierungen („proposed-updates“)
2.1.8. Der Bereich für Aktualisierungen von Stable („stable-updates“)
2.1.9. backports.org/backports.debian.org
2.2. Debian Live
2.3. Reichhaltige Unterstützung für Neurobildgebungs-Forschung

Das Wiki enthält ebenfalls Informationen zu diesem Thema.

In dieser Veröffentlichung wird die offizielle Unterstützung für die HP PA-RISC- („hppa“), Alpha- („alpha“) und ARM-Architektur („arm“) eingestellt.

Die folgenden Architekturen werden offiziell von Debian GNU/Linux Squeeze unterstützt:

Zusätzlich zu den offiziell unterstützten Architekturen führt Debian GNU/Linux Squeeze die GNU/kFreeBSD-Portierungen („kfreefsd-amd64“ und „kfreebsd-i386“) als Technologie-Vorschau ein. Diese Portierungen sind die ersten zu einer Debian-Veröffentlichung hinzugefügten, die nicht auf dem Linux-Kernel basieren, sondern stattdessen den FreeBSD-Kernel verwenden mit einer GNU-Userland-Umgebung. Benutzer dieser Versionen sollten gewarnt sein, dass die Qualität dieser Portierungen noch dabei ist, zu der besonderen Qualität unserer Linux-Portierungen aufzuschließen und dass einige erweiterte Desktop-Funktionalitäten noch nicht unterstützt werden. Allerdings ist die Unterstützung für allgemeine Server-Software stark und erweitert die Funktionalitäten von Linux-basierten Debian-Versionen mit einzigartigen Merkmalen aus der BSD-Welt. Dies ist das erste Mal, dass eine Linux-Distribution derart aufgestockt wurde, um die Verwendung eines nicht-Linux-Kernels zu ermöglichen.

Näheres zum Stand der Portierung und Port-spezifische Informationen für Ihre Architektur finden Sie auf Debians Portierungs-Webseiten.

2.1. Was ist neu in der Distribution?

Diese neue Version von Debian erscheint mit viel mehr Software als ihr Vorgänger Lenny; die Distribution enthält über 10352 neue Pakete und damit insgesamt über 29050 Pakete. Die meiste Software in der Distribution wurde aktualisiert: über 15436 Softwarepakete (entspricht 67% von allen Paketen in Lenny). Außerdem wurde eine signifikante Zahl von Paketen (über 4238, 18% der Pakete in Lenny) aus verschiedenen Gründen aus der Distribution entfernt. Für diese Pakete werden Sie keine Aktualisierungen finden und sie werden in den Paketverwaltungsprogrammen als „veraltet“ (obsolete) markiert sein.

Debian GNU/Linux aktualisiert mit dieser neuen Veröffentlichung X.Org von Version 7.3 auf 7.5.

Debian GNU/Linux erscheint wieder mit mehreren Desktop-Anwendungen und -Umgebungen. Neben weiteren enthält es jetzt die Desktop-Umgebungen GNOME 2.30[1], KDE 4.4.5, Xfce 4.6.2 und LXDE 0.5.0. Produktionsanwendungen wurden ebenfalls aktualisiert, inklusive der Büroanwendungen OpenOffice.org 3.2.1 und KOffice 2.2.1 sowie GNUcash 2.2.9, GNUmeric 1.10.8 und Abiword 2.8.2.

Aktualisierungen anderer Desktop-Anwendungen schließen Evolution auf Version 2.30.3 und Pidgin auf Version 2.7.3 ein. Die Mozilla-Suite wurde ebenfalls aktualisiert: Iceweasel (Version 3.15.3) ist der umbenannte Firefox-Browser und Icedove (Version 3.0.7) ist das umbenannte E-Mail-Programm Thunderbird.

Neben vielen weiteren enthält diese Veröffentlichung auch folgende Aktualisierungen:

PaketVersion in 5.0 (Lenny)Version in 6.0 (Squeeze)
Apache2.2.92.2.16
BIND - DNS-Server9.6.09.7.1
Cherokee - Webserver0.7.21.0.8
Courier - MTA0.60.00.63.0
Dia0.96.10.97.1
Ekiga - VoIP-Client2.0.123.2.7
Exim - Standard-E-Mail-Server4.694.72
GNU Compiler Collection (Kompilier-Sammlung) als Standard-Kompiliersoftware4.3.24.4.5
GIMP2.4.72.6.10
GNU C-Bibliothek2.72.11.2
Lighttpd1.4.191.4.28
Maradns1.3.07.091.4.03
MySQL5.0.51a5.1.49
OpenLDAP2.4.112.4.23
OpenSSH5.1p15.5p1
PHP5.2.65.3.2
Postfix - MTA2.5.52.7.1
PostgreSQL8.3.58.4.5
Python2.5.22.6.6
Samba3.2.53.5.5
Tomcat5.5.266.0.28

Die offizielle Debian GNU/Linux-Distribution wird jetzt auf 4 bis 5 DVDs oder 28 bis 32 CDs (abhängig von der Architektur) bzw. 4 Quellcode-DVDs und 28 Quellcode-CDs geliefert. Zusätzlich gibt es eine multi-arch-DVD mit einer Teilmenge der Veröffentlichung für die amd64- und i386-Architekturen zusammen mit dem Quellcode. Debian GNU/Linux wird auch auf Blu-ray-Images veröffentlicht, ebenfalls für die amd64- und i386-Architekturen zusammen mit dem Quellcode.

Debian unterstützt weiterhin die Linux Standard Base (LSB) Version 3.2.

2.1.1. Firmware in den non-free-Bereich verschoben

Einige im Linux-Kernel enthaltene Treiber enthielten nicht-freie Firmware-Bestandteile. Beginnend mit Squeeze wurde diese Firmware in separate Pakete im non-free-Bereich des Archivs verschoben, wie zum Beispiel in das firmware-linux-Paket. Wenn solche Pakete installiert sind, wird die Firmware falls nötig automatisch geladen.

2.1.2. Paketverwaltung

aptitude ist das empfohlene Programm für interaktive Paketverwaltung auf der Kommandozeile. Als nicht-interaktives Kommandozeilenprogramm zur Paketverwaltung wird apt-get empfohlen. apt-get ist auch das Werkzeug der Wahl für Upgrades von einer Veröffentlichung auf die nächste. Falls Sie immer noch dselect verwenden, sollten Sie zu aptitude als offizielle Oberfläche zur Paketverwaltung wechseln.

Ab Squeeze werden empfohlene Pakete (Recommends) in der Standardeinstallung von Apt automatisch mitinstalliert[2]. Sie können dies ändern, indem Sie die folgende Zeile in der Datei /etc/apt/apt.conf einfügen:

APT::Install-Recommends "false";

2.1.3. Abhängigkeitsbasiertes Booten

Eine wichtige Verbesserung im Debian GNU/Linux-Bootsystem ist die Einführung von abhängigkeitsbasiertem Bootablauf und parallelen Bootvorgängen. Diese Funktionalität wird bei Neuinstallationen standardmäßig aktiviert, bei Upgrades von Lenny ebenso, falls möglich.

Diese Funktionalität wird aktiviert, indem insserv von sysv-rc genutzt wird, um die init.d-Skripte auf Basis ihrer festgelegten Abhängigkeiten zu ordnen[3]. Dies wurde möglich durch langandauernde Bemühungen, während derer alle Bootskripte von Paketen, die in der Distribution angeboten werden, wie auch das Bootsystem selbst entsprechend angepasst wurden.

Durch den abhängigkeitsbasierten Bootablauf ist es jetzt möglich, Bootsystemskripte parallel laufen zu lassen, was in den meisten Situationen die Geschwindigkeit des Bootvorgangs erhöhen kann. Diese Funktionalität wird bei Neuinstallationen und Upgrades standardmäßig aktiviert, wann immer dies möglich ist. Um sie zu deaktivieren, fügen Sie

CONCURRENCY=none

in /etc/default/rcS ein. Mehr Informationen über diese Funktionalität finden Sie unter /usr/share/doc/insserv/README.Debian.

2.1.4. Vereinheitlichte Tastaturkonfiguration

In dieser neuen Veröffentlichung wurde die Konfiguration der Tastatur vereinheitlicht, so dass sowohl die Konsole wie auch der Xorg-Server die gleichen Einstellungen verwenden. Die Tastatureinstellungen werden jetzt in der Konfigurationsdatei /etc/default/keyboard definiert, wodurch die Einstellungen in der Xorg-Konfigurationsdatei überschrieben werden.

Das Paket console-setup wickelt jetzt die Tastaturkonfiguration für beide Umgebungen ab wie auch die Schriftartkonfiguration für die Konsole. Sie können das Tastaturlayout sowie zugehörige Einstellungen erneut konfigurieren, indem Sie dpkg-reconfigure keyboard-configuration ausführen oder die Konfigurationsdatei /etc/default/keyboard von Hand bearbeiten.

2.1.5. Setzen des Kernel-Modes

Der Code für das Setzen des Kernel-Modes (Kernel-Modesetting, KMS) wurde für die gängigsten Desktop-Chipsätze (von Intel, ATI/AMD und NVIDIA) aus dem entsprechenden Xorg-Treiber in den Linux-Kernel verschoben. Dies bietet eine Reihe von Vorteilen, wie zum Beispiel:

  • zuverlässigere Suspend- und Resume-Funktionalitäten (Ruhezustand, Standby, Fortsetzen nach einem der vorherigen Vorgänge)

  • erweiterte Funktionalitäten der Grafikkarte können jetzt verwendet werden, ohne dass X dazu laufen muss

  • schnellere Umschaltung zwischen den virtuellen Konsolen

  • nativer Modus für die Auslösung auf der Textkonsole

Weitere Details finden Sie unter Abschnitt 5.6, „Änderungen am Grafik-Stack“ und im Debian Wiki.

2.1.6. LDAP-Unterstützung

Diese Debian-Veröffentlichung enthält verschiedene Optionen für die Implementierung von klient-seitiger Authentifizierung mittels LDAP. Benutzer der Pakete libnss-ldap und libpam-ldap sollten ein Upgrade auf libnss-ldapd und libpam-ldapd in Betracht ziehen.

Diese neueren Pakete delegieren die LDAP-Anfragen an einen zentralen unprivilegierten Daemon (nslcd), was eine Trennung gestattet zwischen dem Prozess, der die LDAP-Informationen nutzt und dem Daemon, der die LDAP-Anfragen durchführt. Dies vereinfacht die Handhabung von sicheren LDAP-Verbindungen und LDAP-Authentifizierungs-Zeugnissen, bietet einen einfacheren Mechanismus für Verbindungs-Ausfallsicherung sowie Fehlersuche und vermeidet es, dass LDAP und zugehörige Bibliotheken in die meisten Applikationen geladen werden müssen.

Ein Upgrade auf libnss-ldapd und libpam-ldapd sollte einfach sein, da vorhandene Konfigurationsinformationen überwiegend wiederverwendet werden. Lediglich für erweiterte Konfigurationen sollte eine manuelle Neueinrichtung nötig sein.

Diesen Paketen fehlt allerdings derzeit die Unterstützung für verschachtelte Gruppen und sie unterstützen nur die Änderung des Passworts über die LDAP-Passwort-Modifikationsoperation EXOP.

2.1.7. Der Bereich für vorgeschlagene Aktualisierungen („proposed-updates“)

Alle Änderungen an der veröffentlichten „Stable“-Distribution (und an „Oldstable“) müssen eine ausgedehnte Testperiode durchlaufen, bevor sie in den Archiven akzeptiert werden. Jede derartige Aktualisierung nennt sich Zwischenveröffentlichung („Point-Release“). Die Vorbereitung für solche Zwischenveröffentlichungen geschieht mit Hilfe des proposed-updates-Mechanismus.

Pakete können proposed-updates auf zwei Wegen erreichen: zum einen werden Pakete mit Sicherheitsaktualisierungen, die auf security.debian.org erscheinen, automatisch auch zu proposed-updates hinzugefügt; zum anderen können Debian GNU/Linux-Entwickler neue Pakete nach proposed-updates hochladen. Die aktuelle Liste der Pakete ist unter http://ftp-master.debian.org/proposed-updates.html zu finden.

Wenn Sie helfen möchten, Paketaktualisierungen zu testen, bevor sie formal zu einer Zwischenveröffentlichung hinzugefügt werden, können Sie proposed-updates in Ihrer sources.list-Datei einfügen:

deb     http://mirrors.kernel.org/debian squeeze-proposed-updates main contrib
deb-src http://mirrors.kernel.org/debian squeeze-proposed-updates main contrib

Wenn Sie das nächste Mal apt-get update ausführen, wird Ihr System über die Pakete im proposed-updates-Bereich informiert und diese für Upgrades berücksichtigen.

Dies ist nicht wirklich eine neue Funktion in Debian, aber eine, der bisher nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

2.1.8. Der Bereich für Aktualisierungen von Stable („stable-updates“)

Einige Pakete aus proposed-updates werden unter Umständen auch über den squeeze-updates-Mechanismus zur Verfügung gestellt. Dieser Weg wird für Aktualisierungen gewählt, die viele Benutzer möglicherweise bereits vor der nächsten Zwischenveröffentlichung installieren möchten, wie zum Beispiel Aktualisierungen für Virenscanner und Zeitzonendaten. Alle Pakete von squeeze-updates werden auch in Zwischenveröffentlichungen enthalten sein.

Beachten Sie, dass dies die Funktion ersetzt, die vorher durch das volatile.debian.org-Archiv bereitgestellt wurde.

Um Pakete aus squeeze-updates zu verwenden, können Sie einen Eintrag in Ihrer sources.list einfügen:

deb     http://mirrors.kernel.org/debian squeeze-updates main contrib
deb-src http://mirrors.kernel.org/debian squeeze-updates main contrib

Wenn Sie das nächste Mal apt-get update ausführen, wird Ihr System über die Pakete im squeeze-updates-Bereich informiert und diese für Upgrades berücksichtigen.

Wenn ein neues Paket über squeeze-updates zur Verfügung gestellt wird, wird dies auf der debian-stable-announce Mailing-Liste angekündigt.

2.1.9. backports.org/backports.debian.org

Der Dienst, der durch die backports.org-Depots bereitgestellt wurde, ist in die Debian-Infrastruktur integriert worden und jetzt ein offizieller Debian-Service, der auf backports.debian.org beheimatet ist.

2.2. Debian Live

Ab Squeeze bietet Debian offizielle Live-Systeme für die amd64- und i386-Architekturen an.

Ein Debian-Live-System ist ein Debian-System, das direkt von einem Wechseldatenträger (CD-ROM, DVD, USB-Stick) oder von einem anderen Computer über das Netzwerk gebootet werden kann, ohne dass eine Installation nötig wäre. Die Images werden mit einem Werkzeug namens live-build erzeugt, welches es ermöglicht, auf einfache Art und Weise eigene angepasste Live-Images zu erstellen. Mehr Informationen über das Debian Live-Projekt finden Sie unter http://live.debian.net/.

2.3. Reichhaltige Unterstützung für Neurobildgebungs-Forschung

Debian GNU/Linux 6.0 ist die erste Veröffentlichung einer GNU/Linux-Distribution seit jeher, die reichhaltige Unterstützung für Neurobildgebungs-Forschung basierend auf Magnetresonanztomographie (MRT) anbietet. Enthalten ist aktuelle Software für strukturelle Bilderkennung (engl.: structural image analysis) (z.B. ants), Diffusionsbildgebung (engl.: diffusion imaging) and Traktografie (z.B. mrtrix), Stimulus Delivery (z.B. psychopy), MRT-Sequenz-Entwicklung (z.B. odin) wie auch eine Reihe von vielseitigen Programmsammlungen zur Datenverarbeitung und -analyse (z.B. nipype). Darüber hinaus enthält diese Veröffentlichung integrierte Unterstützung für alle wichtigen Datenformate in der Neurobildgebung. Besuchen Sie die Debian Science- und Debian Med-Task-Seiten bezüglich einer umfassenden Liste enthaltener Software sowie die NeuroDebian-Website für weitere Informationen.



[1] Mit einigen Elementen aus GNOME 2.32.

[2] Diese Änderung bedeutet, dass die Anforderungen an den verfügbaren Festplattenplatz für die durch den debian-installer ausgewählten Programmgruppen ebenfalls gestiegen sind. Mehr Informationen finden Sie im „Anhang D.2. Festplattenplatz, der für die Programmgruppen benötigt wird“ des Installationshandbuchs.

[3] Festgelegt werden diese Abhängigkeiten durch Verwendung des in der Linux Standard Base (LSB) spezifizierten Header-Formats.