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Konferenz Wizards of OSAuf Freiheit programmiertElisabeth Bauer, Oliver Frommel |
Knallrot gekleidete Mädchen flitzen auf Rollerblades durch die Gänge, in der Hand kleine Koffer, aus denen Antennen ragen. Darin stecken Computer, drahtlos per Meshing vernetzt. Es ist eine Aktion der Londoner Künstlergruppe TAKE2030 auf der diesjährigen Konferenz Wizards of OS[1] - sie zeigen, dass es nicht nur um Technologie geht. Die Veranstalter um Volker Grassmuck vom Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik wollen vielmehr ergründen, ob die Prinzipien freier Software auf andere Sphären übertragbar sind. Um darüber zu diskutieren, trafen sich vom 10. bis 12. Juni über 100 Politaktivisten, Künstler und Programmierer in Berlin.
Freie Software, freie Hardware, die der Anwender, nicht der Hersteller kontrolliert, freier Zugang aller Menschen zu Kulturgütern und die Befreiung des Radiospektrums von staatlichen Beschränkungen, so umriss Eben Moglen, Jura-Professor und Rechtsberater der Free Software Foundation, in seiner Keynote die vier Ziele, die es zu erreichen gelte. Der härteste Kampf stehe aber noch bevor: Die Telekommunikationsfirmen hätten viele Nutzer davon überzeugt, für drahtlose Kommunikation bezahlen zu müssen. Moglen setzte dagegen die Vision von freier Bandbreite für alle.
Die Wireless-Aktivisten in Berlin waren jedenfalls schon dabei, diese Vision in kleinem Rahmen zu realisieren, ob es sich nun um das bekannte Mesh-Networking handelt (siehe Linux-Magazin 12/03) oder die technisch neue Nutzung des Open Spectrum[2].
Dewayne Hendricks, Vertreter letzterer Gruppe, forderte in seinem emphatischen Vortrag dazu auf, sich nicht durch den heutigen Stand der Technik die Visionen rauben zu lassen. Auch er warnte vor bevorstehenden Auseinandersetzungen mit Breitbandbetreibern, sollte wirklich ein privates, freies Breitbandnetz in Städten möglich werden. Auf dem Kongress selbst wurde mit Mesh-Cubes der Firma 4G ein drahtloses Netz realisiert, das zuverlässig funktionierte.
Thomas Krag von Wire.less.dk wies angesichts der großen Verbreitung von Handys auf die wichtige Rolle freier, drahtloser Netze in Entwicklungs- und Schwellenländern hin und stellte entsprechende Projekte in Indonesien und Namibia vor.
In diese Richtung ging es auch beim Panel "Globalization II - Bridging the digital Divide". Um diese "digitale Kluft" zu überwinden, stellte die indische Firma Encoretech schon vor einiger Zeit die freie Spezifikation des Simputers ins Netz, eines tragbaren und günstigen Computers mit besonderen Usability- Features wie Sprachausgabe. Nun ist die Spezifikation Hardware geworden, die aber nicht alle Wünsche erfüllt: Der Simputer kann zwar lesen, aber seine Handschrifterkennung bleibt zunächst auf Englisch beschränkt.
Auch der Preis ist höher als erwartet, denn bisher werden nur recht geringe Stückzahlen produziert. Daher sucht Encoretech Kunden, die das Gerät für einen größeren Markt zuschneidern möchten, und Programmierer, die interessante Anwendungen schreiben. Das ist verhältnismäßig leicht, denn auf dem Simputer läuft ein StrongARM-Kernel mit X11 und den GTK-Bibliotheken[3].
Anderswo hat man andere Sorgen, so schilderte der Münchner Grüne Jens Mühlhaus die Migration der Stadtverwaltung auf Linux, die recht schleppend vorangeht. Für öffentliche Stellen sei es wichtig, der Bindung an einen einzigen Hersteller zu entkommen, meinte auch der Niederländer Mark Bressers, und betonte, wichtiger als Open Source seien deshalb offene Standards[4]. Mehr utopisches Potenzial besaß der Argentinier Federico Heinz : "You can't run a democracy with proprietary software" - eine Demokratie funktioniert nicht mit proprietärer Software.
Nicht nur das Copyright steht oft im Weg, Patente noch viel mehr. Daher ist es Ziel von Xiph.org, bei ihren freien Audio- und Videocodecs patentierte Algorithmen zu vermeiden. Mit Ogg hatte die Gruppe schon eine freie Alternative zu MP3 programmiert, für Video erwies sich das aus Patentgründen als schwieriger. Ralph Giles von Xiph konnte beim Panel über freie Videosoftware trotzdem eine Implementation des Videocodecs Theora demonstrieren[4].
Die Diskussion um freie Suchmaschinen zeigte nur Lösungsansätze. Entwickler Doug Cutting stellte die freie Suchmaschinen-Software Nutch vor[5], die auf dem Java-Framework Lucene basiert. Ziel ist es, damit eine Suchmaschine zu programmieren, die Systemen wie Google das Wasser reichen kann - wer diese dann tatsächlich betreiben soll, bleibt offen. Anbieten würde sich dafür wohl Projektsponsor Yahoo Labs. Einen anderen Weg wies Wolfgang Sander-Beuermann vom Rechenzentrum Hannover, das schon seit ziemlich langer Zeit Metager am Laufen hält[6], eine so genannte Meta-Suchmaschine.
Das Panel "Beyond the Unix Paradigm" sollte sich mit der Zukunft und den Alternativen zu Unix beschäftigen, geriet aber zu einem Austausch persönlicher Vorlieben. Dietlibc-Autor Felix von Leitner kritisierte schlechten Programmierstil und aufgeblähte APIs, fand Unix aber sonst in Ordnung, während Marcus Brinkmann vom Hurd-Microkernel das eigene Betriebssystem lobte. "Linux- Evangelist" Tom Schwaller plädierte für das Framework Mono, das Sprachen und APIs zusammenführen soll.
Systematisch geht es bei Creative Commons zu. Die Vereinigung bietet einen Baukasten freier Lizenzen, die sie an die juristische Situation interessierter Länder anpasst. Für Deutschland gibt es eine solche mittlerweile, passend dazu stellten die Macher Creative Commons Deutschland vor[7].
Aus diesem Anlass wurden zwei Bücher des Dpunkt-Verlags unter einer Creative- Commons-Lizenz als freie PDF-Dateien erneut veröffentlicht: "Freie Netze" von Armin Medosch und "Mix, Burn & R.I.P" von Janko Röttgers, der den Schritt so kommentierte: "In Zeiten von Hausdurchsuchungen gegen Tauschbörsen-Nutzer möchten wir zeigen, dass Urheber auch anders mit ihrem Publikum umgehen können."
Unter dem Namen "Public Library" lief parallel eine kleine Kunstausstellung, die sich um Copyright und Wissensfreiheit drehte. Sebastian Lütgert von Textz .com präsentierte ein Skript, das einen Walser-Text in unlesbarer Form enthält[8]. Führt der User das Skript aus, erhält er den richtigen Text - wer hat nun gegen das Urheberrecht verstoßen? Kei- ne große Programmieraufgabe, aber "Art as Anti-Copyright Activism" - so der Name der zugehörigen Diskussion.
Um Wissensfreiheit ging es auch im Wikipedia-Panel, in dem Gründer Jimmy Wales die freie Enzyklopädie vorstellte, die an Umfang die Encyclopedia Britannica überrundet hat und als Musterbeispiel für die Übertragung des Open-Source-Gedankens in andere Bereiche gilt. Wiki-Aktivist Sunir Shah betonte die soziale Komponente: Persönliche Beziehungen seien das, was ein Wiki ausmache. Konflikte ließen sich nicht durch technische Mittel wie Sperrungen lösen, sondern durch optimistische Haltung der User. "Assume good faith - Setze guten Willen voraus" sei das wichtigste Prinzip für den Umgang mit anderen in einem Wiki.
Der soziale Aspekt ist ein Grund dafür, dass es die Konferenz gibt. Sie bringt Menschen aus unterschiedlichen Gebieten zum Erfahrungsaustausch zusammen, auch wenn sie nicht einer einheitlichen Weltanschauung anhängen.
Infos |
[1] Wizards of OS: [http://www.wizards-of-os.org] [2] Open Spectrum: [http://www.greaterdemocracy.org] [3] Encoretech: [http://ncoretech.com/simputer] [4] Xiph.org: [http://www.xiph.org] [5] Nutch: [http://www.nutch.org] [6] Metager-Vortrag: [http://meta.rrzn.uni-hannover.de/wos3] [7] Creative Commons: [http://creativecommons.org] [8] Walser.php: [http://textz.com/trash/walser.php.txt] |