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München leuchtet |
Lederhosen, Hofbräuhaus, Franz Beckenbauer und Bier aus Ein-Liter-Krügen - so etwa sieht die Welt München. Jeder kennt es, jeder weiß, wo die Stadt der Biergärten liegt. Klar, es gibt Städte, die leiden unter ärgerlicheren Vorurteilen. Und wer in München wohnt wie ich, wird ja auch nicht jeden Tag auf die Wiesn (Oktoberfest) angesprochen. Letzten Endes ist der Alltag in München so wie in jeder anderen Großstadt, außer vielleicht, dass die Mieten doppelt so teuer sind und die Lebensart etwas barocker ist.
Wie in anderen Großstädten ist auch die Verwaltung der Isarmetropole gezwungen Geld zu sparen. Hier wie überall kämpfen die Stadtoberen mit Steuerausfällen auf breiter Linie. Als es eines Tages darum ging, IT-Kosten zu senken, wurden die Münchner um Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) richtig kreativ. Im Zuge einer extra verfertigten Studie und eines anschließenden Bietergefechts zwischen Microsoft auf der einen sowie Suse und IBM auf der anderen Seite wurde klar: Linux, Open Office & Co. haben eine gute Chance, die 14000 Arbeitsplätze der Stadt zu erobern. Am 16. Juni hat der Stadtrat gegen die Stimmen der CSU formal die Migration beschlossen (siehe auch Seite 14).
Die Planer waren zuvor nicht faul. Es gibt schon einen Basis-Linux-Client, ein Konzept für die Mitarbeiterschulung inklusive E-Learning und ein Muster-Migrationskonzept für die städtischen Referate. Klar ist auch, dass Webapplikationen die bisherigen 1300 Makros ablösen. SAP müht sich zurzeit, ihre Software Open-Office-tauglich zu machen. Die Redaktion des Linux-Magazins bekommt solche Linux-Geschehnisse um die Stadt München naturgemäß sehr gut mit - schließlich ist der Verlag seit zehn Jahren hier ansässig.
Andererseits birgt intensive Nähe auch immer die Gefahr von Wahrnehmungsstörungen, gewissermaßen eine parallaktische Bedeutungsverschiebung. Konkreter: Als Leser der in München ansässigen "Süddeutschen Zeitung" fand ich bislang kaum Bemerkenswertes daran, wenn das Blatt mehrspaltig über Linux, PC-Umstellung und Open Source berichtete. Klar: Süddeutsche, München, lokales Ereignis, man schreibt was drüber. Mir san mir.
Dieses Werteschema gerät jetzt in bedrohliche Schieflage, denn meine Kollegen, besonders die vom internationalen "Linux Magazine", werden zunehmend bei Messen in den USA und auch sonstwo auf die Münchner Migration angesprochen. Ohne dass ich es wahrgenommen hätte, wurden Tuxe zum Wahrzeichen wie der FC Bayern München, die Weißwurstkessel und der Marienplatz. Wow.