Linux-Magazin-Logo Die Zeitschrift für Linux-Professionals

Fußball spielende Roboter

Blech-Kicker

Mirko Dölle

Die Fußballprofis von morgen sind flink, spielstark und ausdauernd. Sie holen sich keine Bänderzerrung und liefern auch keine Schlagzeilen für die Klatschkolumne - sie kommen originalverpackt vom Fließband. Forscher aus aller Welt wollen diese Vision bis 2050 verwirklichen. Mirko Dölle

Inhalt

42 Roadrunner, Coyote & Co.
Das Team Ulm Sparrows berichtet von der Entwicklung und den Problemen seiner Fußball-Roboter.

46 Roboter-Ansteuerung
Die Allemaniacs benutzen Rollstuhlmotoren und Laser-Scanner für ihre Roboter. Am Steuer sitzt Red Hat Linux 9.

50 Lernende Systeme
Wie ein Roboter lernt, selbstständig Entscheidungen trifft und zum Beispiel Fußball spielt, erklärt dieser Artikel.

54 AVR Butterfly selbst programmiert
Mit dem Starterkit Butterfly von Atmel ist die Entwicklung eigener Programme unter Linux für Atmels AVR-Mikrocontroller-Familie nicht schwer.

Forscher aus aller Welt haben sich ein hohes Ziel gesteckt: In gerade mal 46 Jahren sollen ihre Roboter den amtierenden humanoiden Fußballweltmeister vom Platz fegen. Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg, wie mancher Roboter bei der Robocup German Open 2004, der offenen deutschen Roboter-Fußballmeisterschaft, zeigte.

Da rast der Verteidiger des portugiesischen Teams Minho grundlos mit voller Geschwindigkeit ins eigene Tor und verfehlt seinen Keeper nur knapp, während der Stürmer versucht, den Torwart der Allemaniacs Aachen samt Ball mit Gewalt hinter die Linie zu befördern. Dafür gibt es natürlich die gelbe Karte. Auf dem Feld nebenan rettet der Schiedsrichter mit einem Sprung seine Haut vor einem heranrasenden Roboter, der wohl den orangenen Fußball im Arm des Schiris erkannt hatte.

Andere Roboter, zum Beispiel Roadrunner von den Ulm Sparrows im Spiel gegen Attempo Thüringen, lassen es entspannter angehen: Sie bleiben einfach stehen und schauen dem vorbeirollenden Ball gebannt hinterher, während sich ihre Erbauer an der Seitenlinie die Haare raufen und die Lunge aus dem Leib brüllen. Es nützt alles nichts, während des Spiels sind alle Roboter auf sich gestellt. Allein An- und Abpfiff darf der Coach über eine WLAN-Verbindung auslösen. Details zu den Ulmer Robotern Roadrunner, Coyote, Speedy und Gonzales finden Sie auf Seite 42. Auf den Seiten 46 und 50 beschreibt das Team der Allemaniacs Aachen seine Roboter und erklärt, wie es ihnen Fußball beibrachten.

Bei den diesjährigen Top-Teams in der Middle Size League, wie dem Deutschen Meister Brainstormer Tribots (Uni Osnabrück) oder Vizemeister Persia (Iran), sah das Spiel deutlich flüssiger aus - gezielte Torschüsse, bewegliche Verteidiger und geschicktes Umspielen sind hier fast selbstverständlich.

Bei Fuß, Aibo

Richtig Freude machte es, den Aibos der Sony Four-Legged League zuzusehen. Etwa beim Spiel der Hamburg Dog Bots gegen die klar unterlegenen Microsoft Hellhounds, die in der Vorrunde und im Spiel um Platz drei mit 6:0 gegen die Hanseaten verloren.

Wie bei allen Robocup-Teilnehmern steckt auch bei den Roboter-Hunden die Intelligenz in den rund 2000 Euro teuren Spielern, die sich mit ihrer Kopfkamera und einigen Sensoren selbstständig orientieren und per Funk mit den anderen Spielern koordinieren müssen. Die Hunde spielen den apfelsinengroßen Ball geschickt mit einem Bein, beiden Vorderbeinen, der Brust oder dem Kopf. Linux läuft allerdings nicht auf den Vierbeinern, ihre Firmware wird in C++ entwickelt.

Seit dem ersten Robocup 1997 in Japan hat sich viel getan. Konnten sich die Roboter damals kaum fortbewegen, erreichen sie heute bis zu drei Meter pro Sekunde und dribbeln dabei noch mit dem Fußball. Man darf gespannt sein, was die Teams auf der Weltmeisterschaft vom 27.05. bis 03.06.2004 in Lissabon zeigen. "50 Jahre sind genug", so steht es jedenfalls auf der Homepage des Robocup-Verbands. [http://www.robocup.org]

Das klingt plausibel: Der Silizium-Transistor, der den Computer erst möglich machte, feiert dieser Tage 50. Geburtstag. Mikroprozessoren sind noch viel jünger, 1971 hielt Federico Faggin bei Intel den ersten Prozessor 4004 mit 400 kHz Takt und 2300 Transistoren in der Hand - heute arbeiten Xeons mit 3 GHz und 169 Millionen Transistoren.

Es lohnt sich auf beiden Seiten, jetzt schon für die Fußball-WM 2050 zu trainieren: Die Roboter haben noch viel zu lernen, bis sie fit für die Herausforderung sind, und wir sollten möglichst gesund bleiben, um das Spektakel in 46 Jahren noch miterleben zu können.