![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
|
|
Das 10. Global Grid Forum 2004 in BerlinDeutschstundeRüdiger Berlich |
"Wann kommen wir drei uns wieder entgegen, in Donner, in Blitzen oder in Regen?" fragen sich drei Hexen zu Beginn von Shakespeares Drama Macbeth. Die Teilnehmer des Global Grid Forum (GGF) leben nicht mit solcher Ungewissheit - sie treffen sich dreimal jährlich an verschiedenen Orten der Welt und besprechen neue Entwicklungen des Grid Computing. Diesmal kamen über 600 Grid-Spezialisten nach Berlin. Mit Hexenkunst hat diese Konferenz auch nur insofern etwas zu tun, als die Koordinierung der vielen Initiativen und Strömungen des Grid Computing den Organisatoren gelegentlich übermenschliche Anstrengungen abverlangt.
Das 10. GGF stand unter dem Eindruck einer Ankündigung der Globus-Allianz, in absehbarer Zeit die gerade erst verfügbare - im Vergleich zur weithin verwendeten Version 2 radikal unterschiedliche - Version 3 des Globus-Toolkits durch Version 4 zu ersetzen. Der Weg führt somit vom monolithischen Globus-Toolkit 2 über Grid Services bei Version 3 hin zu Webservices (siehe beide Globus-Artikel in diesem Schwerpunkt).
Im dreitägigen Hauptteil des GGF liefen unter der Schirmherrschaft von Professor Alexander Reinefeld (Zuse Institut Berlin,[1]) 80 teilweise parallele Sessions von je 90 Minuten. Das Programm wäre ohne die mitgelieferte Übersetzungstabelle für die vielbuchstabigen Akronyme nicht zu verstehen. Neulinge taten auch gut daran, sich zuerst die Einführung für neue Mitglieder anzuhören, und für Eingeweihte war es ratsam, sich auf Arbeitsgruppen zu beschränken, mit deren Wissensgebiet sie wenigstens ansatzweise vertraut waren.
Das GGF ist weltweit der konzentrierteste Informationspool in Sachen Grid Computing. Diesmal beschäftigten sich die Arbeits- und Forschungsgruppen mit so unterschiedlichen Themen wie Grid Checkpoint/Recovery (GridCPR-WG), dem Open Grid Service Common Management Model (CMM-WG), Life Sciences (LSG-RG), dem Semantic Grid (SEM-RG) und 45 anderen Bereichen[2]. Die organisierten Sitzungen der Arbeitsgruppen wurden ergänzt durch "Birds of a Feather"-ad-hoc-Treffen (BOF) zu drängenden Themen.
Besser geeignet für Neuzugänge war das Rahmenprogramm aus Workshops und Seminaren [3] zur "Zukunft der Grid-Datenumgebungen", zu "Arbeitsabläufen in Grid-Systemen" und "Grid Services in der Teilchen- und Kernphysik". In der Physiksparte dominierten Vorträge über "Experimental High Energy Physics and Grid Activities in Australia" oder "Data Storage in High Energy Physics". Wer jedoch nach Informationen zu Grid Services in der Teilchenphysik suchte, schaute in die (Beschleuniger-)Röhre.
Entschädigung bot der Workshop "Fallstudien zu Grid-Applikationen"[4]. Im 20-Minuten-Rhythmus stellten zwölf Vortragende bestehende Grid-Anwendungen vor - Raritäten im immer noch sehr forschungszentrierten Grid Computing. So sprach Lee Liming vom Argonne National Lab (USA) über das MOST-Experiment (Earthquake Engineering on the Grid) in der Erbebenforschung.
Argonne-Kollegen von Liming behandelten in ihrem Vortrag "Grid Enabled Server for High-Throughput Analysis of Genomes" die Genomanalyse. Sprecher des Fraunhofer Institute for Computer Architecture and Software Technology (FIRST) aus Berlin präsentierten eine interessante Fallstudie zum Thema "Grid-based Environmental Risk Analysis and Management System".
Auch das Grid Computing bleibt von den Segnungen der Softwarepatente nicht verschont. Viele Anwendungen stehen unter der Globus Toolkit Public License[6] und kämpfen daher mit ähnlichen Unwägbarkeiten wie andere Open-Source-Applikationen und Linux. Diskussionen mit Teilnehmern förderten für diese Problematik eine zunehmende Sensibilisierung zutage.
Zufällig fand parallel zum GGF in einem nahe gelegenen Hotel ein parlamentarischer Abend des "Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur" (FFII,[7]) statt. Das professionell abgelaufene Event zeigte, dass Lobbyarbeit gegen Softwarepatente - das Buffet war dem des GGF ebenbürdig - auch im Sinne von Open Source wirken kann. Mit Speck fängt man Parlamentarier.
Das GGF-Conference Dinner fand, umgeben von alten Dampfloks, im Deutschen Technikmuseum statt - nicht zufällig auch Standort einiger Werke von Konrad Zuse, darunter einer von ihm selbst gebaute Reproduktion des ersten Computers der Welt (eigentlich eher als mechanische Proof of Concept gedacht), der Zuse Z1 von 1938[8].
Neben seiner Rolle als (Quasi-)Standardisierungsgremium ist das GGF oft Plattform für wichtige Ankündigungen, diesmal die der D-Grid-Initiative durch Edelgard Bulmahn, Ministerin für Bildung und Forschung. Als Teil des Aktionsprogramms "Informationsgesellschaft 2006" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) soll, aufbauend auf vorhandenen Projekten, das D-Grid eine konkurrenzfähige deutsche Grid-Infrastruktur schaffen - die gibt es nämlich bislang nicht (siehe Kasten "Grid-Wüste Deutschland").
Grid-Wüste Deutschland |
Die neun zurückliegenden GGFs offenbarten, dass Deutschland in Sachen Grid anderen Nationen hinterherhinkt: Das spiegelten sowohl die Teilnehmeranzahl als auch die vergleichsweise wenigen deutschen Projekte wider. Wohl als Reaktion auf diese schwache Rolle fanden im vergangenen Jahr Mitglieder aus Wissenschaft und Wirtschaft zueinander, um eine Strategie für eine deutsche Grid-Initiative zu entwerfen und Deutschlands Position als Hochtechnologieland zu sichern. In Heidelberg fand dann am 1. Oktober 2003 ein die D-Grid-Initiative vorbereitendes Treffen statt, der German Grid Day. |
Das Projekt soll unter anderem schnelle Netzwerk und - in Abstimmung mit dem Global Grid Forum - effiziente Middleware und standardisierte Schnittstellen etablieren. Wie das Grid-Magazin "Primeur" berichtet [5], erhofft das BMBF zusätzlich zu den eigenen 100 Millionen Euro über fünf Jahre Investitionen in gleicher Höhe aus Industrie und Forschungseinrichtungen.
In vorderster Reihe bei der Entwicklung von D-Grid marschiert IBM Deutschland. Der Mutterkonzern hat Milliarden ins Grid Computing investiert. Beispielsweise betreibt Big Blue in Böblingen bei Stuttgart ein Forschungslabor, das eigene Entwicklungen voranbringt und deren Ergebnisse in IBM-Produkten verwertet. Die Schwaben wollen die Grid-Anwendungen aus dem wissenschaftlichen Bereich auch kommerziellen Nutzern zugänglich machen.
Ein nennenswerter Teil der IBM-Entwicklungen fließt direkt oder indirekt an die Allgemeinheit zurück, etwa durch Beteiligung an den Projekten des Global Grid Forum oder des D-Grid. IBM verkündet, dass im Rahmen von D-Grid spätestens bis 2008 ein Produktionsbetrieb mit Pilotanwendungen für die Klimaforschung, die Hochenergiephysik, für biomedizinische Forschungen und die Lebenswissenschaften (Life Sciences) seine Arbeit aufnimmt.
Wem das 10. Global Grid Forum in Berlin zu technisch, zu forschungslastig oder klimatisch zu kühl war, der sollte die Teilnahme am 11. GGF ins Auge fassen. Denn die Grid-Gemeinde trifft sich dann vom 6. bis 9. Juni 2004 in Honolulu[2]. Die Nähe des Waikiki Beach dürfte auch für Grid-Hochkaräter nicht so abschreckend wirken, dass sie den Weg nach Hawaii scheuen.
Das elfte Forum steht unter dem Leitthema "The Enterprise Grid", wird also die kommerzielle Verwendung des Grid Computing im Fokus haben: Die Ankündigung nennt pharmazeutische und Luffahrtindustrie, Automotive, Telekommunikation, den Finanzsektor sowie Petroleum- und Unterhaltungsindustrien. Bei den Hexen in Macbeth heißt es: "Du gabst mir das Gold, du ziehst mich nach! Und stürzt sich hinab in den wogenden Bach!" (jk)
Infos |
[1] Zuse Institut: [http://www.zib.de] [2] Global Grid Forum: [http://www.ggf.org] [3] Seminare des GGF 10: [http://www.ggf.org/Meetings/ggf10/schedule_b.htm] [4] Fallstudien zu Grid-Applikationen: [http://www.zib.de/ggf/apps/meetings/ggf10.html] [5] Primeur Grid-Magazin/E-Science-Investitionen: [http://www.hoise.com/primeur/04/articles/weekly/UH-PR-04-04-3.html] [6] Globus Toolkit Public License GTPL: [http://www-unix.globus.org/toolkit/license.html] [7] FFII: [http://www.ffii.org/index.de.html] [8] Konrad Zuses Z1: [http://www.dtmb.de/Aktuelles/Sonderausstellungen/Zuse_Ausstellung] |
Der Autor |
Dr. Rüdiger Berlich studierte Physik an der Universität Bochum. Von 1998 bis 2001 arbeitete er bei Suse, unter anderem als Technical Manager (Support) der US-Filiale und als Geschäftsführer der britischen Niederlassung. Im Januar 2004 promovierte er an der Universität Bochum im Bereich der Teilchenphysik und des verteilten Rechnens. |