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Leser fragen, der Linux-Magazin-Ratgeber antwortet

Recht einfach

Fred Andresen

Urheberrecht, Patente, Verträge, Lizenzen und so weiter: In der Serie "Rechts-Rat" erhalten Linux-Magazin- Leser ab dieser Ausgabe verständliche Auskünfte zu Rechtsproblemen des Linux-Alltags.

In dieser Ausgabe geht's um Urheberrechte, Haftungsfallen im Internet und über die Frage, wie die Unterschrift aufs Computerfax kommt - und weshalb.

Urheberrecht für Schüler

Wir müssen im Informatikunterricht am Gymnasium eine Projektarbeit anfertigen. Darf ich meine Arbeit unter der GPL veröffentlichen? Darf ich eine bereits fertige Arbeit erweitern und das Ergebnis unter einer freien Lizenz veröffentlichen?

M. aus Meiningen, per E-Mail

Die Antwort gibt das Urheberrecht, in diesem Fall das deutsche UrhG. Nach dessen § 12 darf der Urheber bestimmen, ob und wie sein Werk veröffentlicht wird. Ein Werk ist eine persönliche geistige Schöpfung, das erstreckt sich auch auf Schriftwerke wie Seminar- und Projektarbeiten, da sie die entscheidende Schöpfungshöhe erreichen. Keine Werke sind etwa ausgefüllte Multiple-Choice-Prüfungsbögen oder einfachste Antworten auf ebensolche Fragen.

Eine Schöpfung ist ein Realakt, kein Rechtsgeschäft oder dergleichen, also wird auch ein minderjähriger Schüler zum Urheber seiner Werke. Das Urheberrecht trennt aber zwischen dem Urheberpersönlichkeitsrecht und den - rechtsgeschäftlichen - Urheberverwertungsrechten, die den gesetzlichen Vertretern des Minderjährigen, dessen Eltern, vorbehalten sind. Sie müssen also der Veröffentlichung zustimmen.

Aus der Schule und dem Kulturbereich gibt es - ganz entsprechend dem Anstaltsdenken, das die Institution Schule bis heute prägt - Stimmen, die den Schülern gar jede Urheberschaft abstreiten wollen. Sie führen gern als Argument an, dass die Schüler ja die Arbeiten nur im Auftrag der Schule fertigten.

Dem Urheberrecht ist solche Auftragsprivilegierung jedoch fremd, am Urheberrecht ändert das nichts. Allenfalls kommt eine Miturheberschaft bei Gruppen- oder Klassenarbeiten in Betracht. Für eine Veröffentlichung müssen sich in solchen Fällen aber nur alle schöpferisch Beteiligten einig sein.

Schularbeiten sind zweckgebunden

Die - je nach Bundesland - unterschiedlichen Schulordnungen komplizieren das Ganze: Diese Vorschriften mit Gesetzescharakter legen meist fest, dass Arbeiten der Schüler dessen Eigentum bleiben oder, falls etwa für eine Leistungskontrolle zweckgebunden, bei der Schule verbleiben oder gar in deren Eigentum übergehen.

Aus der Bedeutung der Wörter "zweckgebunden" und "Eigentum" ergibt sich für den Juristen, dass es dabei nur um die einzelnen körperlichen Werkstücke gehen kann, die der Schüler abgibt, also das Blatt oder der Hefter mit der Aufgabe selbst; nicht jedoch, dass damit die Urheberverwertungsrechte übertragen werden. Das wäre nämlich nicht mehr vom Zweck der Schularbeit umfasst, die ja nur der Ausbildung und der Lernkontrolle dient.

Konfisziert

Denen, die aus dem Gesetzestext eine Urheberrechtsübertragung herauslesen wollen, ist entgegenzuhalten, dass diese ein Enteignungs-gleicher Eingriff wären. Und der wäre ohne Entschädigung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Allerdings müsste eine bestehende Rechtsvorschrift wie die betreffende Schulordnung dann erst mal von einem Gericht aufgehoben werden.

Aber selbst wenn man eine solche Enteignung anerkennt, würde sie sich stets nur auf die Arbeit selbst, nie aber auf die Materialien und Entwürfe erstrecken, die der Schüler im Vorfeld erarbeitet hat: Also darf der Schüler natürlich eine Arbeit veröffentlichen, die auf diesen Entwürfen beruht, selbst wenn sich zur Hausarbeit, die er der Schule vorgelegt hat, nur geringfügige Änderungen ergeben. Das Gleiche gilt umso mehr, wenn auf der Basis, die auch für die Seminararbeit diente, durch zusätzliche schöpferische Leistung ein neues, erweitertes Werk entsteht.

Also: Eine Projektarbeit ist eine Gemeinschaftsarbeit, daher müssen sich alle Projektmitglieder als Miturheber einig sein, wenn sie sie unter der GPL oder einer vergleichbaren Lizenz veröffentlichen wollen. Die eigene, allein verfasste Seminarfacharbeit veröffentlichen, das kann niemand verbieten, schon gar nicht wenn künftige Projekte darauf aufbauen. Wer aber ganz sicher gehen will, veröffentlicht nicht die endgültige Fassung seiner Arbeit, sondern einen Rohentwurf oder eine darauf aufsetzende neue Fassung.

Abbildung 1: Schöpferische Schüler - entgegen der Ansicht vieler Kultusbeamter handelt es sich beim Lehrbetrieb um keine urheberrechtsfreie Zone.

Telefax: Nur wirksam mit Unterschrift?

Ich halte die Auslagerung des Faxbetriebs auf den PC für einen modernen, störungsfreien Bürobetrieb für nahezu unabdingbar. Die Bedeutung des Fax für den Rechtsverkehr sehe ich darin, dass es eine Unterschrift trägt, die rechtlich anerkannt ist. Der Gesetzgeber hat das Fax deutlich privilegiert; die Unterschrift unter eine rechtliche Erklärung, sei es Abschluss eines Vertrages oder Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, muss nach wie vor vorhanden sein, sie ist jedoch heute durch "telekommunikative Übermittlung" (§ 127 Abs. 2 BGB) möglich. Meine Frage lautet also: Wie kommt beim Faxen mit Linux die Unterschrift auf das Fax?

K.-F. aus Schorstedt, per Fax

Die von Ihnen angesprochene Privilegierung des Fax vermag ich nicht zu erkennen. Das Gegenteil ist der Fall: Der Gesetzgeber hat mit den neu ins BGB geschriebenen Formvorschriften festgehalten, dass ein Fax eben nicht der gesetzlichen Schriftform genügt.

Zusätzlich zu § 126 BGB, der die gesetzliche Schriftform beschreibt, behandeln die nachfolgenden Paragrafen andere Formen wie die elektronische oder die Textform, von denen ausschließlich der elektronischen Form die gleiche Rechtswirkung zugeschrieben wird wie der Schriftform. Jene setzt aber eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz voraus - das gibt es bei einem Computerfax nicht.

Schriftform: Beweiskraft und Übereilungsschutz

Die gesetzliche Schriftform soll mehrere Funktionen erfüllen, unter anderem den Inhalt der Erklärungen vollständig dokumentieren, diese nachweisbar festhalten und auch davor schützen, Erklärungen übereilt abzugeben. Dieser Gesamtheit der Anforderungen wird das Computerfax - wie auch das Papierfax - nicht gerecht. Natürlich ist ein Computerfax praktisch; es bleibt aber dem Anwendungsbereich der gewählten Form vorbehalten, zum Beispiel können sich Vertragsparteien frei darüber verständigen, welche Formen ihre jeweiligen Erklärungen einhalten sollen. In jenen Bereichen, in denen das Gesetz die Schriftform vorschreibt, genügt ein Computerfax also nicht. Ein Computerfax hat zwar eine gewisse Indizwirkung, es fehlt im aber stets die Beweiskraft der Schriftform, die bestimmt, dass bei Verträgen beide Parteien auf einer Urkunde unterzeichnen müssen.

Auf der Urkunde ist nämlich körperlich die Erklärung festgehalten; nachträgliche Änderungen sind zumindest wissenschaftlich nachweisbar - bei der einfachen Faxdatei ist das ausgeschlossen. Diese Integrität erfüllt nur eine signierte elektronische Datei, eben die elektronische Form nach § 126a BGB. Diese elektronische Form setzt voraus, dass beide Seiten zur Übermittlung einen Computer einsetzen.

Bei der intermedialen Übertragung PC-zu-Fax und umgekehrt ist das, zumindest mit der heutigen Übertragungstechnik, nicht der Fall. Natürlich sind künftige Faxmaschinen denkbar, die signierte Dokumente in der elektronischen Form übertragen und zu Papier bringen, aber ich denke, die Leute machen das dann doch lieber gleich über den PC.

Sonderfall Behörden

Privilegiert ist das Fax tatsächlich nur bei der Kommunikation mit Behörden, doch ist das keine Entscheidung des Gesetzgebers, sondern liegt an der Selbstbindung der Verwaltung. Weil diese auf die Funktion der Faxübermittlung vertraut und auf diese Weise Zeit und Geld einsparen kann, hat sie - für sich selbst bindend - entschieden, dass sie ein Fax genauso akzeptiert wie ein Schriftstück - in den meisten Fällen.

Hier spielt der Rechtsschutz des Bürgers gegenüber der Verwaltung eine tragende Rolle, der eben dann zum Ausdruck kommt, wenn zum Beispiel der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auch dann noch als fristgerecht eingelegt gelten soll, wenn er nur per Fax kommt. Im Zweifelsfall für den Bürger.

In anderen Fällen darf die Verwaltung aber mit Fug und Recht auf der Schriftform bestehen; bei öffentlichen Ausschreibungen und Verträgen zum Beispiel. Das geduldete Fax läuft auch nur einseitig vom Bürger zur Behörde: Ein Einberufungsbescheid per Fax ist nach wie vor unwirksam.

Abbildung 2: Ein Computerfax ist kein schriftliches Dokument - egal ob mit oder ohne eingescannter Unterschrift.

Haftung für eigene Inhalte im Internet

Bedeutet der Artikel "Fremdenverkehr" im Linux-Magazin 03/2004 nicht in letzter Konsequenz, dass jeder, der ein Open-Source-Paket veröffentlicht und sich vorher nicht absolut sicher ist, dass es keinen patentierten Code enthält (was IMHO selbst für einen Patentanwalt unmöglich zu sagen wäre), sich quasi unbeschränkter Haftbarkeit aussetzt ? Schließlich kann GPL-Code, wenn er einmal in der freien Wildbahn ist, nicht mehr gestoppt werden. Man kennt ja nicht einmal die Nutzer.

R. aus Bochum, per E-Mail

Was so schwer verständlich scheint, entspringt zwei unterschiedlichen Ansätzen in unserem Rechtssystem: Zum einen räumt es eine gewisse Äußerungsfreiheit ein, die dem gesprochenen Wort gilt - weil es flüchtig ist. Zum anderen gibt es den Rechtsbegriff der Veröffentlichung, der aus der Tradition der körperlichen Medien stammt und daher einen längeren Entscheidungs- und Prüfungsweg nicht nur beinhaltet, sondern auch voraussetzt.

Dieser tradierte Weg musste nicht dringend angepasst werden, als Rundfunk und Fernsehen aufkamen. Denn dies waren nie Medien für jedermann als Medienschaffenden wie heute das Internet. Dessen Leichtigkeit erlaubt es heute, so schnell und mühelos wie nie zuvor etwas in die Welt zu tragen, bedeutet aber prinzipiell auch immer eine Verbreitung, weil immer auch die Kopie (Vervielfältigung) mit im Spiel ist. Damit ist aber auch so schnell und mühelos wie noch nie ein Haftungstatbestand erfüllt.

Juristen wollen ein Sonderrecht für das Internet vermeiden, weil sie stets versuchen bestehende, funktionierende, ausgetestete Vorschriften und Rechtssätze auf neue Sachverhalte zu übertragen - soweit das sinnvoll möglich ist.

Die Schadensersatzkette reißt am schwächsten Glied

Ein Prinzip, das bei Buchveröffentlichungen besteht, gilt auch im Internet: Man muss sich vorher genau überlegen, was man veröffentlicht. Hat der Veröffentlicher sich über wesentliche Sachverhalte selbst getäuscht, kann er die Haftung sozusagen durchreichen, wenn ein Dritter für die Täuschung verantwortlich ist. Da aber ein in seinen Rechten Geschädigter nicht darauf verwiesen werden darf, von Pontius zu Pilatus zu rennen, um sich seinen Schadensersatz zusammenzusuchen, darf er sich primär an den wenden, der den konkreten Schaden (mit-)verursacht hat.

Der kann dann - sofern selbst getäuscht - den Dritten zur Verantwortung ziehen, sofern und soweit dieser die Täuschung zu verantworten hat. Das ist eine Schadensersatzkette. Und wie alle Ketten reißt sie an ihrem schwächsten Glied, nämlich dort, wo der Verursacher nicht auffindbar ist, nicht mehr eindeutig ausgemacht werden kann oder wo ein Weitersuchen wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll ist.

Die Anonymität und der ständige, undokumentierbare Wandel im Internet machen es im Zweifel unmöglich, sich selbst abzusichern, also bleibt man auf der Haftung sitzen. Um dieses Risiko in bestimmten Fällen auszuschalten, schaffen Gesetzgeber oder Gerichte manchmal Ausnahmen: Das würde dann als Rechtssatz formuliert ungefähr so lauten: Wer Programme, die nicht der GPL unterliegen, unter der GPL verbreitet, haftet nur für (leichte oder grobe) Fahrlässigkeit oder wenn ihm das Programm selbst als GPL-zugehörig aus einer (erkennbar) unsicheren Quelle zugänglich gemacht wurde.

Solche Ausnahmen kommen aber immer erst dann zur Geltung, wenn ein Risiko für einen großen beteiligten Personenkreis (etwa Filesharing-Benutzer) fortdauernd besteht und dieser schützenswerter scheint, als jene, die den potenziellen Schaden zu tragen haben, etwa die Musikindustrie. Die Bereitschaft für eine entsprechende Ausnahmevorschrift sehe ich derzeit nicht.

Was die Haftung für Code in der freien Wildbahn angeht: Hier ist die Haftung schon dadurch eingeschränkt, dass man nur für die eigene Veröffentlichung haftet. Der Folge-Übeltäter ist ja selbst betroffen und hat sein eigenes Kerbholz. Aber das Grundprinzip der Haftungskette bleibt trotzdem: Wer von einem Folgetäter in Regress genommen wird, hat ein Problem.

Sind 500000 Kopien im Umlauf, müssen die der eigenen Homepage erst mal zugerechnet werden - was schwer zu beweisen ist, wenn auch alternative Download-Adressen bekannt sind. Bei freier Software ist das ja üblich. Das ist ein weiteres ungelöstes Problem, allerdings das des Klägers, der seinen Schaden ja beziffern muss.

Abbildung 3: Haftungsfalle Internet: Wer haftet wie für welchen Content?

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Der Autor

RA Fred Andresen ist "EasyLinux"-Redakteur sowie Mitglied der Rechtsanwaltskammer München und der Arbeitsgemeinschaft Informationstechnologie im Deutschen Anwaltverein (DAVIT).