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Missbrauch der Bestimmungen bei Versandgeschäften

Risiko Fernabsatz

Fred Andresen

Der Internetversand boomt - ein wenig. Körperkontakt sucht niemand, der Wunschkunde bestellt einfach aus der Ferne. Erstaunlich, dass gerade dies den Händlern Ärger bringt.

Fast unglaublich ist der Fall, den das Amtsgericht München vor einiger Zeit zu entscheiden hatte: Ein Computerversender stritt sich mit einem Kunden um die Rückgabe eines Notebooks. An sich nichts Ungewöhnliches, doch die Hintergründe zeigen, wie wichtig es im Einzelfall ist zu wissen, mit wem man Geschäfte macht.

Der vermeintliche Geschäftskunde

Einige Monate vor dem Verfahren erhielt der Händler aufgrund seines Homepage-Angebots die Anfrage nach einem Notebook. In dem Telefax bestellte der Käufer ein bestimmtes Gerät, mit Speichererweiterung sowie dieser und jener Zusatzausstattung - alles Optionen aus dem Katalog. Das Fax trug den Firmenbriefkopf eines EDV-Beratungsunternehmens, zusätzlich stand unter der Unterschrift des Bestellers eine Unterzeile mit seinem Namen und dem des Beratungsunternehmens.

Einige Tage nach dem Versand des Notebooks - es war auch bereits bezahlt - rief der Käufer an: Man hätte sich die Sache überlegt, das Notebook genüge den Ansprüchen nicht und man würde gern ein anderes erwerben, ob das möglich sei. Der Händler - wenig daran interessiert, ein wenn auch aktuelles, so doch gebrauchtes Notebook gegen ein annähernd gleichwertiges Neugerät einzutauschen - meldete Bedenken an: Die Rückgabe sei möglich; doch müsse der Ersatz dann schon deutlich mehr Umsatz bringen. Kein Problem, so der Kunde, dann nähme er gleich zwei Rechner - die Bestellung folge per Fax.

Das Bestellfax kam auch am nächsten Tag. Allerdings nur für ein Ersatzgerät. Der Kunde hatte es sich wohl überlegt, nicht jedoch der Händler: Er blieb bei seiner Haltung und lehnte - mit Rückfax - die Bestellung des Kunden ab. Einige Tage später staunte er nicht schlecht, als ihm ein Anwaltsbrief ins Haus flatterte: Sein Kunde, so der Advokat, mache von seinem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch und würde den Kaufvertrag rückabwickeln. In den nächsten Tagen erhalte der Händler die Ware zurück und solle unverzüglich den Kaufpreis zurückbezahlen. Gleich auf das Konto des Anwalts - zuzüglich dessen Honorar, denn wegen seiner bisherigen Weigerung müsse er auch die Rechtsverfolgungskosten erstatten.

Fliegender Wechsel

Der Händler traute seinen Augen kaum: Statt von der Firma, die er vom Faxbriefkopf kannte und der er auch die damalige Rechnung geschickt hatte, sprach der Anwalt von einem ganz anderen: Der Privatmann Soundso sei sein Mandant und mit dem hätte der Händler den Kaufvertrag geschlossen. Ein Privatmann, also Verbraucher im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs, dem das Widerrufsrecht zustünde - dem Unternehmen bleibt es verwehrt.

Dem Anwalt des Händlers, der den Vorgang am nächsten Tag auf dem Tisch hatte, war die Sache klar. Vorgeschoben sei der Privatmann, nur um die Rücknahme doch noch zu erzwingen. Klare Sache: Waren doch Bestellung, Rechnung und aller Schriftverkehr auf Fimenbriefpapier erfolgt, sollte sich auch ohne weiteres vor Gericht die Hinterlist aufklären lassen. Das Amtsgericht dachte da anders: Der Briefkopf und die Rechnungsanschrift würden nicht einmal ein Indiz begründen, einen Anscheinsbeweis dafür, dass nicht die Beratungsfirma, sondern der Mitarbeiter - für sich selbst zum privaten Gebrauch - das Notebook bestellt habe.

Ob das dem Händler klar war, sein könnte oder müsste, sei unerheblich. Schließlich hatte der Mitarbeiter, jetzt Kläger, nicht mit Beweisen gespart: Das Telefonat mit dem Händler, meinte der als Zeuge angegebene Kollege, habe er mitgehört. Der Kläger habe, so versicherte sein Kollege dem Gericht glaubhaft, stets und ausdrücklich dargelegt, der Rechner sei für ihn privat gedacht. Vom Arbeitsplatztelefon privat einkaufen, das mag ja durchaus üblich sein, aber dann auch noch ungefragt und wiederholt den Gesprächspartner darauf hinweisen: Wer's glaubt, wird selig!

Der Zeuge sticht, das Dokument nicht

Zusätzlich sollte auch noch der Geschäftsführer aussagen, dass schließlich alle Mitarbeiter ihre Notebooks privat anschafften. Auf den verzichtete das Gericht aber, weil diese weitere Aussage nicht erforderlich sei. Die Aussage des Arbeitskollegen genügte, schon weil der Händler dem nichts entgegensetzen könne. Zeugen habe er nicht, weil er nur selbst telefoniert habe, und der Faxkopf sei ja ohne Bedeutung.

Das erstaunt um so mehr, als unter den Beweismitteln, die in einem Zivilprozess zur Verfügung stehen, der Zeugenbeweis als der schwächste angesehen wird, der Urkundsbeweis gilt dagegen als am aussagekräftigsten.

Verschätzt und unterlegen

Der Händler hat verloren. Und das, obwohl aus seiner Sicht und mit seiner Wahrheit die Sache eigentlich klar zu seinen Gunsten hätte ausgehen müssen. Ob vergleichbare Fälle auch genauso ausgehen, ist zwar unwahrscheinlich, aber dieser Fall legt den Finger auf etwas, das jeden treffen kann: zum Beispiel den Versandhändler, der mit Mühe vorinstallierte Linux-Rechner verkauft, oder den Programmierer, der sich über falsche Werbeaussagen des gleichen Versandhändlers ärgert, die Ware zurückschickt und sein Widerrufsrecht geltend macht. Obwohl ihm das gar nicht zusteht, denn der Rechner war für seinen Gewerbebetrieb gedacht.

Das Widerrufsrecht braucht keine Begründung. Sich etwas anders überlegt zu haben reicht aus. Allerdings steht es nicht jedem zu - das Gesetz verlangt zwei Bedingungen: Zum einen muss es sich um einen Fernabsatzvertrag handeln, der widerrufen werden soll, zum anderen muss der Widerrufende ein Verbraucher sein. Was ein Verbraucher ist, das steht kurz und klar im Gesetz: Paragraph 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sagt, ein Verbraucher ist jede natürliche Person, die einen Vertrag nicht für die gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit abschließt.

Auch was ein Fernabsatzvertrag ist, regelt das BGB, allerdings schon etwas ungenauer (siehe Kasten "Fernabsatzverträge"): Dies seien Verträge, die zwischen Unternehmern und Verbrauchern über Fernkommunikationsmittel geschlossen werden. Was Fernkommunikationsmittel sind, klärt schon der nächste Absatz der Vorschrift: Kommunikationsmittel, die Vertragspartner benutzen, wenn sie nicht an einem Ort körperlich anwesend sind. Ausreichend klar, was gemeint ist: Der typische Internet-Versandhandel fällt darunter, aber auch Dienstleistungen, die über Internet oder Fax abgerufen werden.

§ 312b BGB - Fernabsatzverträge (Auszug)

(1) Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.

(2) Fernkommunikationsmittel sind Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste.

Der Verbraucher ist das Problem

Das Problem ist die Verbrauchereigenschaft, genauer die Frage, wie sie im Zweifel zu beweisen ist. Der gewerbliche Linux-Programmierer kann sich einen PC genauso für seinen privaten Bedarf anschaffen als auch als Betriebs- und Geschäftsausstattung. Bei einem Industriebetrieb, der eine Krananlage bestellt, kein Problem, doch die meisten Wirtschaftsgüter, die Kleinunternehmer wie Selbstständige und Freiberufler anschaffen, sind auch zur Privatnutzung geeignet - das fängt beim Notebook an und hört bei Büromöbeln nicht auf.

Gerade wenn der selbstständige Linux-Programmierer dort arbeitet, wo er auch wohnt, geht nicht einmal aus der Rechnungsanschrift hervor, welchem Zweck die Ware dienen könnte. Ein Blick in die Steuerunterlagen, ob der Käufer die Ware gar steuerlich absetzt, scheitert schon daran, dass Selbstständige und Kleinunternehmer die Steuererklärung oft erst im übernächsten Jahr einreichen und in vielen Fällen nicht einmal Bücher führen müssen. Und ob sich ein Richter findet, der in einem Zivilprozess um einen widerrufenen Kaufvertrag tatsächlich die Beiziehung von Steuerakten beschließt, ist ungewiss.

Wie steht's also mit dem Widerrufsrecht? Dem Händler bringt nur ein Passus im Vertrag Sicherheit, in dem der Käufer erklärt, die Ware gewerblich oder privat einzusetzen - aber welcher Kunde wird das unterschreiben? So bleibt die Möglichkeit, dass Kleingewerbler die Vorschriften missbrauchen. Vielleicht hat der Gesetzgeber das übersehen - vielleicht wollte er es auch.

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