|
|
Gastkommentar: Kundenbindung à la Microsoft bei Red Hat und SuseKunde am HakenLars Freund, Karsten Gaier |
Kundenbindung ist eine Grundlage gelungenen Marketings. Microsoft zum Beispiel weiß das und hat etwa das Office-Paket so liebevoll gestaltet, dass viele größere Unternehmen sich eine Trennung gar nicht mehr vorstellen können. Die Philosophie eines freien Betriebssystems ohne Lizenz- und Supportabhängigkeiten sollte eine solche forcierte Kundenbindung eigentlich ausschließen. Andererseits brauchen große Unternehmen eine verlässliche und wohl definierte Supportstruktur.
Das haben die Linux-Distributoren erkannt und machen dieser zahlungskräftigen Kundschaft entsprechende Angebote. Dabei ist es durchaus legitim, für herausragende Leistungen herausragende Preise zu verlangen. Trotzdem drängen sich Fragen auf.
So kommt Red Hat Enterprise Linux 3.0 (RHEL) in den Varianten Advanced Server (AS), Entry Server (ES) und Workstation (WS) mit unterschiedlichen Supportangeboten für Unternehmen daher. Consumer und Community sollen sich beim Fedora-Projekt bedienen. Diese Trennung ist sinnvoll. Allerdings gibt es entweder gar keinen Support mehr (Fedora) oder recht teure Subskriptionsmodelle für das Enterprise Linux. Vor allem bei Linux-Clustern stellt das Kunden und Hersteller vor Probleme.
Ein Beispiel: Ein Linux-Cluster mit acht Knoten (16 Prozessoren) kostet etwa 23000 Euro und wird über drei Jahre abgeschrieben. Laut Red Hats Empfehlungen - WS für die Knoten und AS für den Master - sind für drei Jahre etwa 8300 Dollar zu berappen. Support für den Master inklusive, aber nur Bugfixes für die Nodes. Für Opteron-Systeme gibt es ausschließlich Support-basierte Varianten, dabei sind für drei Jahre fast 23000 Dollar fällig, bei Hardwarekosten von 40000 Euro! Diese Zahlen erscheinen vielen Linux-Nutzern zu hoch - besonders da es im Linux-Land erfahrene Administratoren gibt, die bei einer Supportanfrage wohl keine Antwort, sondern eher ein Stellenangebot erhalten.
Red Hat kann sich das offenbar leisten, in den USA hat die Firma nach eigenen Angaben schon 82 Prozent des Marktes unter ihren Hut gebracht, viele Applikationen werden bevorzugt oder gar ausschließlich für Red Hat zertifiziert. Droht hier ein neues Redmond?
Es gibt einigen Grund zu der Vermutung, dass gerade diese Politik Red Hats Bedeutung eher schadet. Wahrscheinlich aber ist, dass auch weiterhin genügend große internationale Firmen Red Hats Enterprise-Software kaufen werden - mit den entsprechenden individuellen Rabatten. Red Hat geht immerhin schon jetzt flexibler auf Kunden zu. Vielleicht werden sie Select-Vertrag à la Microsoft heißen, die Updates nennt auch Suse ja bereits Service Pack.
Apropos Suse/Novell: Kundenbindung der etwas zweifelhaften Art ist auch da kein Fremdwort. Wer schon mal den Ximian Desktop und den Mailclient Evolution benutzt hat, der weiß: Diese Produkte sind gut. Nur - loswerden kann man sie fast nur noch durch eine Neuinstallation des gesamten Systems. Zu viele Abhängigkeiten bereiten selbst bei der Installation einer neueren Open-Office-Version Probleme.
Das Verdienst der Distributoren ist unbestritten. Sie haben Linux populär gemacht und tun es weiterhin. Ihre Tools braucht Linux auf dem Weg vom Lernprogramm für Linus Torvalds hin zum Massenprodukt.
Was es nicht braucht, das ist die Bevormundung der User durch die Distributoren. Kundenbindung ist sicherlich nötig; dass sie aber nur mit gezielter Abhängigkeit funktioniert, wird jeder Marketingexperte bestreiten. Mit etwas Nachdenken kommt man sicher auch bei Suse und Red Hat drauf. (uwo)
Die Autoren |
Dr. Lars Freund ist Linux-Cluster-Administrator bei einem Automobilkonzern. Dr. Karsten Gaier ist freiberuflicher Berater für Linux-Cluster und hat unter anderem eine Studie zur Cluster-Nutzung in der deutschen Industrie erstellt. |