Linux-Magazin-Logo Die Zeitschrift für Linux-Professionals

Linux erfasst Messdaten von Winterdienstfahrzeugen

Schneetreiben

Max Werner

Immer mehr Hersteller setzen in ihren Geräten auf Embedded Linux. Auch die boomende Telematik-Sparte hat Linux als Alternative erkannt. Eine kleine Firma in Südbayern nutzt die freie Software, um mit ihrem Telematiksystem für Winterdienste den Großen in der Branche Konkurrenz zu machen.

In der Werkstatthalle herrscht Hochbetrieb. Mechaniker rüsten einen Lastwagen samt vorgespanntem Schneepflug mit Elektronik aus. Kabelstränge schlängeln sich durch das Gefährt, das sich mit jedem Arbeitsschritt mehr zu einem fahrenden Computer verwandelt. Die Bedieneinheit (BDE) des Mobidat-Systems (siehe Abbildung 1) wirkt neben den Hydraulikschaltern und mechanischen Geräten in der Fahrerkabine eher unscheinbar. Ein Mechaniker zwängt sich zwischen die Sitze, um die Schnittstelleneinheit (SSE) einzubauen.

Abbildung 1: Die Bedieneinheit (BDE) des Mobidat-Systems zur Erfassung von Telematikdaten. Über sie steuert der Fahrer unter anderem den Versand von erfassten Daten an den Server.

Diese beiden Komponenten bilden das Herz von Mobidat, des mobilen Datenerfassungssystems der Firma Mobiworx[1] aus dem Örtchen Raubling im Voralpenland. Vor allem Fuhrparkbetreiber von Winterdienstfahrzeugen setzen Mobidat bereits ein. Es erfasst Daten wie die Menge an gestreutem Salz, die Breite der Salzlage auf der Straße und wie viel Salz-Wasser-Gemisch (Sole) beim Streuen hinzugegeben wurde. Mit einem GPS-Empfänger ausgestattet empfängt die SSE auch Standortkoordinaten.

Mobiworx verkauft jedoch nicht nur die Geräte, sondern tritt auch als Application Service Provider (ASP) auf. Die Kunden bekommen eine komplette Server-Infrastruktur zur Verfügung gestellt und müssen daher auch keine zusätzlichen Kosten für Server-Installationen in Kauf nehmen. Jeder Kunde erhält eine eigene MySQL-Datenbank, die seine Daten speichert.

Flexibilität dank Embedded Linux

Das Besondere: SSE und Server basieren komplett auf Linux. Für diesen Zweck hat das fünfköpfige Entwicklerteam um Mobiworx-Gründer Jürgen Potocnik eine eigene Distribution namens Mobiworx Embedded Linux erstellt, die auf dem in Embedded-Kreisen bekannten Denx Linux aufsetzt und mit einem aktuellen 2.4er Kernel ausgestattet ist. Zusätzliche Applikationen wie ein kleiner Webserver, Telnet oder SSH installiert Mobiworx nach Wunsch.

Alle Sensoren, die am Fahrzeug installiert sind, laufen in der SSE zusammen. Sie sammelt die Daten und sendet sie an die Zentrale. Leider ist nicht alles so offen wie ein Linux-System: Die Protokolle, die den verschiedenen Sensoren zur Übermittlung ihrer erfassten Daten dienen, sind größtenteils proprietär, wie ein Mobiworx-Entwickler erläutert. Außerdem unterscheiden sich die Protokolle von Sensor zu Sensor und von Hersteller zu Hersteller. Die Mobidat-Entwickler müssen sich also bei neuen Sensoren erst einmal darum kümmern, mit den Werten überhaupt etwas anfangen zu können, die an der SSE ankommen. Die meisten Hersteller setzen übrigens bei der Datenübertragung noch auf die gute alte serielle Schnittstelle.

Datenübertragung per Mobilfunk

Sind alle Daten gesammelt, verbindet sich ein GSM-Modul in der SSE auf Knopfdruck entweder über ein GSM-Modem oder über GPRS mit dem Internet und verschickt die Daten in einer Archivdatei per E-Mail an den Server. Der packt sie wieder aus und ermöglicht über das Webfrontend[2] eine detaillierte Auswertung. Abbildung 2 zeigt ein Beispiel für den Winterdienst. Die Fuhrparkbetreiber haben bei den Formaten die Qual der Wahl zwischen Comma- separated Values (CSV), HTML, Excel-Tabelle oder einer PDF-Datei. Außerdem gibt es Schnittstellen, die die Weiterverarbeitung der erfassten Daten in Abrechnungssystemen erlauben.

Abbildung 2: Alle Daten, die die Fahrzeuge über den laufenden Einsatz gesammelt und per E-Mail an den Server geschickt haben, lassen sich bequem über das Mobidat-Webfrontend analysieren.

Das Mobidat-System arbeitet bidirektional. Die SSE sendet also nicht nur Daten, sondern empfängt sie auch. Das erleichtert die Kommunikation zwischen Einsatzzentrale und Fahrer. Ein Mitarbeiter in der Zentrale schickt beispielsweise einfach eine E-Mail an den Fahrer, der sie über die BDE angezeigt bekommt. Das spart den Telefonanruf.

Die SSE enthält einen GPS-Empfänger zur genauen Positionsbestimmung der Fahrzeuge. So lassen sich die Routen bei einem Einsatz genauestens nachvollziehen. Allerdings ist hier die Gefahr recht groß, dass Arbeitgeber diese Funktion auch zur Mitarbeiterüberwachung einsetzen. Da sich viele Mitarbeitervertreter über diesen Missbrauch Sorgen machen, ist das Feature optional.

Hinter der Routing-Funktion verbirgt sich eine aufwändige Software, die geografische Rohdaten in ansehnliche Straßenkarten mit entsprechenden Routen umwandelt. Für diesen Zweck gibt es allerdings noch keine ernst zu nehmende freie Software, sodass das proprietäre Mapinfo zum Einsatz kommt, das lediglich unter Windows läuft. Über das Webinterface lassen sich dann alle gefahrenen Routen komfortabel nachvollziehen (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Ein besonderes Feature der Serversoftware von Mobidat ist die Routing-Funktion. Unternehmer können so die Fahrten ihrer Fahrer nachvollziehen. (Quelle: Mobiworx Telematik e.K.)

Im Innern der SSE werkelt ein Motorola PowerPC-Prozessor mit 50 MHz. Das Linux-System ist auf 8 MByte Flash-ROM gespeichert, für genügend Arbeitsspeicher sorgt ein SDRAM-Modul mit 64 MByte. Bis zu 2 GByte zusätzlichen Speicher liefert eine Compactflash-Karte. Schnittstellen gibt es reichlich, einen seriellen RS232-Anschluss, einen 10-MBit-Ethernet-Port für die Integration in ein bestehendes Netz und acht Anschlüsse für Sensoren. Damit die BDE überhaupt etwas auf ihrem Display anzeigt, versorgt sie die SSE über den CAN-Bus mit den nötigen Daten.

Software-Updates übers Internet

Als Potocnik vor vier Jahren mit der Arbeit an Mobidat begann, arbeitete das Gerät noch mit C51- und C155-Mikroprozessoren von Infineon. Der Software-Entwickler wollte damals ein Telematiksystem schaffen mit dem Anspruch, möglichst skalierbar und modular zu sein. Die Entscheidung für Linux war schnell getroffen und dank der besseren Unterstützung kam auch sehr bald die Umstellung auf PowerPC-CPUs.

Dank Linux sind auch Software-Updates auf der SSE kein Problem. Die Wagen müssen nicht einmal in die Werkstatt: Ein Entwickler loggt sich per Wählverbindung auf einer SSE ein und aktualisiert die vorhandenen Pakete. Auch Kernel-Updates sind auf diese Weise möglich. Dank des Ethernet-Anschlusses jeder SSE lassen sich die Geräte in ein vorhandenes Netzwerk einbinden, falls ein Update über eine Mobilfunkverbindung nicht möglich ist.

Da die Entwickler das Mobilfunknetz zur Datenübertragung nutzen, ist auch ein Software-Update über nationale Mobilfunkgrenzen hinweg möglich. Von der Firmenzentrale in Raubling loggt sich ein Mitarbeiter zum Beispiel auf einem Mobidat-System in Österreich ein und installiert per SSH die neuen Pakete.

Harte Schale

Die Hardware besteht zu großen Teilen aus Standardkomponenten aus Fernost. Bei Mobiworx in Raubling nehmen die Entwickler dann noch einige Anpassungen vor und bauen die Geräte zusammen. Sowohl SSE als auch BDE müssen vor Umwelteinflüssen geschützt sein. Nicht nur große Temperaturunterschiede (vor allem im Winter, wenn der Fahrer die Heizung voll aufdreht) müssen sie aushalten, auch die etwas rauhen Umgangsformen der Benutzer dürfen vor allem der BDE nichts anhaben.

Es soll schon vorgekommen sein, dass ein Fahrer die Knöpfe der BDE im wahrsten Sinne des Wortes zerdrückt hat. Dagegen kann allerdings auch das härteste Gehäuse nicht ankommen. Leider büßt die SSE durch ihre Robustheit auch ein wenig an Komfort ein, denn selbst der Compactflash-Slot befindet sich im Innern des Geräts und ist nur nach Öffnen des Gehäuses erreichbar.

Flottenmanagement

Zwar ist Mobidat hauptsächlich für Fuhrparkunternehmer mit Winterdienstfahrzeugen eingerichtet, die Serversoftware enthält aber auch Module für das allgemeine Flottenmanagement eines Fuhrparks. So lassen sich problemlos Fahrten von Fahrzeugen analysieren: Wann, wo und wie lange ist zum Beispiel ein Lastwagen ohne Ladung gefahren? Daten, die eine Optimierung von Fahrten ermöglichen.

Doch nicht nur den Unternehmern, sondern auch den Fahrern soll Mobidat Vorteile bringen: Sie ersparen sich das zeitaufwändige Ausfüllen von Formularen. Ein Knopfdruck genügt und die SSE sendet alle nötigen Daten an den Server. Nicht alle Unternehmer wollen aber das Management ihrer Fuhrparks in die Hände der Technik legen. Sie von den Vorteilen überzeugen ist offensichtlich nicht immer leicht.

Chancen für KMUs

Mittlerweile ist Mobidat bei sehr vielen Fuhrparkbetreibern im Einsatz. Trotz einiger Angebote aus dem Ausland, kürzlich sogar aus Japan, will sich Mobiworx hauptsächlich auf den nationalen Markt beschränken. Durch den Einsatz von Linux (auch auf Server-Seite) ist Mobidat extrem flexibel und lässt sich den gegebenen Umständen anpassen.

Die kleine Firma in Südbayern ist ein Beispiel dafür, dass freie Software den kleinen und mittleren Unternehmen alle Werkzeuge in die Hand gibt, um den großen und etablierten Firmen ernsthaft Konkurrenz zu machen. Wie würde sich unser Verkehrsminister freuen, wenn ein inzwischen berüchtigtes Telematik-Projekt namens Toll Collect ähnlich problemlos abliefe.

Infos

[1] Die Firma Mobiworx: [http://www.mobiworx.de/]

[2] Webfrontend zur Auswertung der Daten: [http://www.mobidat.com/]