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Stamm-Baum |
Schon immer war Ahnenforschung ein beliebtes Hobby. Ein Verwandtschaftsverhältnis zu Bismarck, Mozart, Stalin oder Daniel Küblböck belegen zu können, ist ja auch ein bisschen charmant. Das Internet hat diesem Hobby in letzter Zeit einen gehörigen Effizienz- und Globalisierungsschub verschafft. Familien-Stammbücher und die immer wieder mit Bleistift und Radiergummi verbesserten Stammbäume haben nun ausgedient. Spezialportale und die vielen privaten Schmidt/Schmitt/Meier/Huber/Lehmann.org-Suchinitiativen verketten die Ahnenbäumchen des Einzelnen zu genealogischen Meisterwerken. Im Ergebnis stellt sich für die meisten Thomas Lehmanns ernüchternd heraus, dass sie nicht mit Madonna oder Einstein, wohl aber mit einem Stefan Schmidt aus dem Nachbarort verwandt sind.
Auf einen imposanten Stammbaum können auch alle Unix-ähnlichen Betriebssysteme verweisen. Im Internet gibt es an vielen Stellen ein großes Postscript-File mit über die Jahrzehnte gewuchertem Geäst zum Download. Ein dicker, ehrwürdiger Ast ist mit "Unix System V" betitelt, einem wichtigen Unix, dessen Nachlasspfleger über Zwischenstufen die 1979 gegründete Santa Cruz Operation wurde.
Eben diese in Utah beheimatete Firma, aktuell heißt sie SCO Group, sorgt seit Monaten für verwandtschaftlichen Zoff, dass es im Baum nur so raschelt. Angriffsziel ist ein vergleichsweise junger, aber kräftig-grüner Zweig: Linux. Der wuchert so gesund und hoch, dass die liebe SCO-Verwandtschaft kaum noch Sonne sieht, wie der Geschäftsbericht ausweist.
Per Anwalt und Gericht möchte der sieche Onkel eine (unanständig hohe) Leibrente von den zu Ansehen und Geld gekommenen Linux-Neffen und -Nichten einklagen. Der Vorwurf lautet im Kern auf Erbschleicherei auf Kernelebene, eine Art intellektuellen Samenraubs. Dabei verwundert allein schon die Tatsache, dass sich SCO im Jahre 2001 auf eine Vernunftehe mit der Linux-Firma Caldera eingelassen hatte und allein daher der Mittäterschaft dringend verdächtig ist.
Was SCO vor Monaten wahrscheinlich unterschätzt hat: Ein paar Codeteile triumphierend nebeneinander halten wird dauerhaft nicht reichen. Denn die Gene der Unix-Ahnen reichen bis ins x-te Glied. Ahnenforscher wissen: In der Nähe der Baumwurzel sind die Geschwister genetisch zum Verwechseln ähnlich - aber ob der eine dem anderen oder der andere dem einen gleicht, ist nicht mehr festzustellen.
Wie man's auch dreht, ein Sprichwort bekommt für alle Beteiligten eine geradezu magische Aktualität: Freunde kann man sich aussuchen, Verwandte nicht.