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Zahlen & Trends

Der Linux-Markt im Umbruch: Novell kauft Suse

Mit dem Kauf von Suse durch Novell sind die Karten im Linuxmarkt neu gemischt. Waren bisher alle großen Hersteller von Linux-Distributionen eigenständige Unternehmen mit dem Fokus ausschließlich auf Entwicklung und Vermarktung des Open-Source-Betriebssystems, geht jetzt eine der marktbeherrschenden Distributionen in einem Unternehmen auf, das eine übergeordnete Agenda hat. Bei Novell ist das die Netzwerk-Integration.

Unter diesem Fokus ordnet sich Suse in die Reihe relativ eigenständig agierender "Product Units" unter dem Dach von Novell ein. Der Übernahmeprozess soll bis etwa Ende Januar abgeschlossen sein. Novell-Manager Michael Naunheim kündigte an, dass dann die Vertriebs- und Marketing-Organisationen zusammengefasst werden sollen. Nach der Akquisition will Novell auch die neue Produkt-Roadmap für Suse-Linux bekanntgeben.

Die Entscheidungshoheit zwischen den Benutzeroberflächen Gnome und KDE soll, was die Suse-Distribution betrifft, wohl künftig bei Suse liegen. Kurz nach der Akquisition hatte Miguel de Icaza im Internet verbreitet, Novells Desktop-Entscheidungen seien bei ihm und Nat Friedman gut aufgehoben.

Novells "Enterprise Linux Services", als eine Suite von Integrations- und Management-Produkten wie E-Directory, Konnektoren für Microsofts Active-Directory, Groupware-Anwendungen und Ximians Red Carpet, sollen wie geplant noch Ende des Jahres in Version 1.0 erscheinen. Sie sollen auch weiterhin sowohl für Suse als auch für Red Hat entwickelt werden.

Auf die Frage nach der Fortexistenz der Box-Produkte für den Endanwender sieht Naunheim "Chancen, die Kompetenz von Suse im Retail-Markt zu nutzen" und "kaum Überschneidungen in den Goto-Market-Strategien" zwischen Suse und Novell. Bei der Integration von fremden Unternehmen habe Novell aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt: "Der Markt ist heute ein anderer, die Unternehmensbereiche müssen heute in der Lage sein, selbstständiger agieren zu können". Die Kooperation mit IBM soll enger werden, vor allem bei der Cross-Plattform-Integration, auch wenn man in verschiedenen Bereichen wie etwa Web Services konkurriere.

Insgesamt ist Naunheim der Meinung, dass die Übernahme von Suse die allgemeine Akzeptanz von Linux fördern wird, speziell auf dem US-Markt.

Michael Naunheim, Novell: "Aus der Vergangenheit gelernt".

Linux-Kassen

Die Drogeriekette "dm" hat alle ihre Läden mit Linux-basierten Kassensystemen ausgestattet. Deutschen Filialen setzen Hardware von Wincor-Nixdorf ein, in den ausländischen Geschäften stehen Kassen von IBM. Die Software ist eine Eigenentwicklung der IT-Tochter Filiadata, als Betriebssystem dient ein modifiziertes Debian. In Deutschland hat "dm" 660 Filialen mit 1700 Kassen.

IBM-Desktop

Um Linux auf dem Desktop wird sich bei IBM künftig möglicherweise die Dienstleistungssparte "Global Services" kümmern. Das legt zumindest ein Vortrag auf der "Linux Desktop Conference" nahe, der die künftige Desktop-Strategie des Konzerns vorstellte. Sam Docknevich von IBM Global Services präsentierte dort ein Desktop-System mit Gnome-Oberfläche für Firmenkunden.

Millionen Linux-Desktops von Sun in China

China will in den nächsten Jahren die astronomische Zahl von 200 Millionen Linux-Desktops installieren. Ein vom Staat unterstütztes Konsortium chinesischer IT-Firmen, die "China Standards Software Company" (CSSC) entschloss sich zu diesem Zweck für eine Kooperation mit Sun Microsystems. Ziel ist es, pro Jahr eine halbe Million von Suns Linux-Desktopsystemen auszuliefern.

Das Projekt startet bereits Ende 2003. Das von Sun als "Java Desktop" bezeichnete Betriebssystem ist im Kern ein Suse-Linux mit Gome als Desktop und Star Office als Büroanwendung. Die Hardware, auf der Suns Linux zum Einsatz kommen soll, wird von den Mitgliedern des chinesischen Konsortiums CSSC unter einer eigens zu diesem Zwecke entwickelten Marke geliefert.

Frankfurter Linux World Expo legt zu

Erneut kräftig gewachsen ist die Linux World Expo in Frankfurt. Die Veranstalter meldeten im Jahr 2003 einen Zuwachs an Ausstellungsfläche von 40 Prozent. Statt 80 Ausstellern im Vorjahr meldeten sich 143 an.

Vor allem die großen Player wie HP, IBM oder Fujitsu-Siemens hatten stärker als zuvor den überwiegenden Teil ihrer Standfläche kleineren Partnern zur Verfügung gestellt, die so von großen Namen profitieren konnten.

In der Keynote zur Messe-Eröffnung erneuerte Staatssekretär Göttrik Wewer vom Bundesinnenministerium das Bekenntnis der Regierung zur Vielfalt in der IT-Landschaft und zur Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen. Allgemein gingen die Messeveranstalter etwas inflationär mit dem Begriff Keynote um, es fanden zehn Stück davon statt. Das technische Vortragsprogramm fand hingegen etwas weniger Aufmerksamkeit, teilweise mussten sich die Referenten trotz interessanter Themen mit weniger als zehn Zuhörern begnügen.

Überraschend gut war der Besuch hingegen beim Mittelstandsforum. Dort berichteten und diskutierten Anwender über Linux-Lösungen in der realen Welt der Unternehmen (das Linux-Magazin war hier Mitveranstalter).

Hat sich Tux auf dem LWE-Stand von Sun eine Erkältung geholt?

Infiniband-Software wird Open Source

Die Bostoner Firma Voltaire begibt sich auf den Open-Source-Pfad. Sie will die Quellen ihrer Management-Software für Infiniband-Cluster offenlegen. Das soll die Akzeptanz von Infiniband für das High Performance Computing erhöhen, also hauptsächlich für den Einsatz in Rechen-Clustern.

Der Code des Subnet-Managementsystems soll im Rahmen der Infiniband-Open Source-Initiative [http://infiniband.sourceforge.net/] auf Sourceforge für die Interessenten bereitstehen.

Voltaire ist ein Hersteller von Infiniband-Hardware, also Host-Adaptern und Routern, und bietet zudem Software rund um Infiniband an. Das durch Risikokapital finanzierte junge Unternehmen arbeitet vor allem mit IBM zusammen. IBM verwendete Technik von Voltaire im ersten eigenen Infiniband-basierten Datenbank-Cluster.

Schweinsohren fürs Patentamt

Wie in einigen europäischen Ländern gibt es auch in Österreich einen Big Brother Award. Dieser Anti-Preis für Datenschnüffler ist dort aber etwas ganz Besonderes. In der Tradition der Wiener Aktionskunst bekommen die Preisträger ein Paar echte Schweinsohren überreicht. Preisträger war in diesem Jahr auch das Europäische Patentamt in München, und zwar nicht allein für die Erhebung von Informationen, sondern, wie es in der Laudatio heißt, "für seine Patent-Vergabepraxis der letzten Jahre, die wenig anderes war, als der Versuch, öffentliches Gut, Triviallösungen im Internet an finanzkräftige Anbieter umzuverteilen."

Eine der vielen Initiativen, die am Award [http://www.bigbrotheraward.at] beteiligt sind, ist die Free Software Foundation. Als ihr Vertreter hatte sich der Jurist Georg Jakob auf den Weg nach München gemacht, um den Preis zu überreichen. Leider sah sich Pressesprecher Osterwald nicht zu einer Annahme in der Lage, sodass die Schweinsohren nebst beiliegendem Rezeptvorschlag und der Urkunde (Letztere mit Eingangsstempel versehen) im Posteingang landeten. Auch ein zirka 20-minütiges Telefonat mit Georg Jakob (Zitat: "Es ist so, dass wir uns da auch mit einem Verfallsdatum konfrontiert sehen.") vermochte ihn nicht umzustimmen.

Georg Jakob mit dem Preis vor dem Europäischen Patentamt.

Neue Samsung-Contact-Version

Samsung bringt Ende des Jahres Version 9 ihrer Groupware-Lösung Contact heraus. Die wichtigste Neuerung: Im Gegensatz zum Vorgänger sind bei dieser die Kalendereinträge mit Microsoft Outlook vollständig interoperabel. Der Nutzer kann also sowohl Outlook als auch die Samsung-Java- oder Webclients nutzen.

Außerdem wird jetzt auf der Server-Seite auch Mainframe-Linux offiziell unterstützt. Die Anwendung soll dort bis zu 20000 Nutzern skalieren können. Der Java-Client steht jetzt auch für Mac OS X zur Verfügung. Das Lizenzmodell bleibt unverändert, Kunden zahlen pro Benutzer 45 Euro für den Server, soll der Samsung-eigene Client zum Einsatz kommen, werden noch einmal 15 Euro pro Client-Nutzer fällig.

Laut Aussage von Samsungs Europa-Manager Pascal Lauria will sich das Unternehmen mit der Contact-Groupware nach einer Umstrukturierung künftig auf den Enterprise-Markt konzentrieren.

JBoss lässt nach J2EE zertifizieren

Support-Geschäft und Schulungen laufen bei der JBoss Group offenbar so gut, dass die Firma den finanziellen Kraftakt wagen und den freien Java Application Server JBoss nach J2EE zertifizieren lassen will. Das Unternehmen will dafür das J2EE 1.4 Technology Compatibility Kit lizenzieren, zu dem eine Testsuite für Applikationsserver gehört. Die Testsuite enthält neue Standards, die zugleich mit der Ankündigung unter Versionsnummer 1.4 vom Java Community Process (JCP) [http://www.jcp.org] verabschiedet wurden.

JCP ist ein von Sun geleitetes Gremium aus Java-Entwicklern und Lizenznehmern, das die Weiterentwicklung der Software und Standards kontrolliert. Bei Verabschiedung der Spezifikation 1.4 verkündete Sun, dass die Lizenzbedingungen für die Testsuite etwas Open-Source-freundlicher werden sollen.

Roadmap für Mono

Novell stellte auf der Computermesse Comdex in Las Vegas die erste offizielle Roadmap des Open-Source-Projekts Mono vor, seit die Ximian-Mannschaft mit Mono-Erfinder Miguel de Icaza zu Novell gehört. Danach soll Version 1.0 des Dotnet-Ersatzes in den ersten Monaten des Jahres 2004 erscheinen. Mono 1.0 richtet sich an Entwickler, die lernen wollen, Dotnet-1.1-kompatible Applikationen unter Linux zu entwickeln. Es wird einen Compiler enthalten, der sowohl im Just-in-Time- als auch im Ahead-of-Time-Modus arbeiten kann.

Er unterstützt die Intel- und die PowerPC-Architektur, für andere Plattformen wie Arm, Sparc oder S390 wird ein Interpreter mitgeliefert. Die nächste stabile Version nach Mono 1.0 wird Mono 1.2 sein - mit Bibliotheken für GUI-Unterstützung und Teil-Support für Dotnet 1.2.

MySQL veröffentlicht Max DB 7.5

Nach der Übernahme der von SAP als Open Source freigegebenen SAP DB hat MySAQL jetzt die erste Nachfolgeversion veröffentlicht. Max DB 7.5 leitet sich aus Version 7.4 der SAP DB ab.

Das neue Mitglied in der Datenbankfamilie ist so konzipiert, dass es nahtlos mit der MySQL-Datenbank harmoniert. Max DB verfügt über

Features wie Stored Procedures, Trigger und Views, sie siedelt damit im oberen Segment der Produktpalettte von MySQL. Zur Kommunikation zwischen MySQL- und Max DB-Datenbanken dient ein neu entwickelter Proxy, der aber derzeit nur in der Alphaversion vorliegt.

Supercomputing 2003: Grid im Fokus

Auf der Supercomputer-Konferenz vom November in Phoenix, Arizona, stand Grid Computing im Mittelpunkt. Ein Teil der Konferenz wurde durch das Access Grid des Forschungszentrums Jülich weltweit in hoher Bandbreite und guter Video- und Audioqualität übertragen. IBM demonstrierte ihr General Parallel Filesystem (GPFS) in einem Teilbereich des US-Teragrids. Appro zeigte einen Linux-Cluster mit bis zu 160 Opteron-Prozessoren in einem Rack und Infiniband-Vernetzung.

Terrascale demonstrierte mit dem Terrgrid eine hoch performante I/O-Lösung für Linux-Cluster, die den Vorteil bietet, tausende Linux-Cluster mit Open-Source-Werkzeugen und Applikationen zu vernetzen. In der aktuellen Top-500-Liste der Supercomputer sind inzwischen 149 Intel- oder AMD-Cluster vertreten. (Uwe Harms)

Ransom Love im Aufsichtrat von Progeny

Ransom Love, der Mitgründer und langjährige Chef von Caldera, später in SCO umbenannt, sitzt jetzt im Aufsichtsrat der Linux-Dienstleistungsfirma Progeny. Ian Murdock, der einst das Debian-Projekt ins Leben rief, gründete das Unternehmen, um Linux als Plattform weiterzuentwickeln.

Debian und Caldera standen - schon lange vor dem Ärger mit SCO - für zwei gegensätzliche Positionen im Linux-Lager: Einerseits Debian mit einer freien Entwicklergemeinde und ohne Vermarktungsabsichten, andererseits Caldera, die immer wieder proprietäre Software in ihre Distributionen einwob und so das Prinzip der freien Verteilbarkeit aushebelte.

Seit Ian Murdock Geschäftsführer von Progeny ist und Ransom Love dem ruppigeren Darl McBride als Caldera/

SCO-CEO weichen musste, kommen sich die Positionen beider Linux-Veteranen offenbar näher. Murdock lobt Love als "Pionier bei der Kommerzialisierung von Linux" und führend bei der Förderung von Standards und der Vereinheitlichung der Linux-Distributionen. (uwo)

Ian Murdock und Ransom Love sitzen nach jahrelangen Gegensätzen nun in einem Boot.